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Aktuelles von der Norddeutschen Hormonkonferenz 22.-23. Februar 2019

23. Norddeutschen Hormonkonferenz 2019

Highlights der Norddeutschen Hormonkonferenz 02/2019

Orale Kontrazeptiva (Pille)

Diskutiert wurde die Assoziation zwischen einer Pille (orales Kontrazeptivum) und der Suizid-Versuche und der Suizid-Rate. Es wurde eine retrospektive achtjährige Beobachtungsstudie hier vorgestellt, die eine Verdopplung der Suizid-Versuche und eine dreimal höhere Suizid-Rate nachwies (American Journal of Psychiatry 2017). Dies trat insbesondere bei 15-19-jährigen auf. Der Höhepunkt der Suizid-Ereignisse war nach 2 Monaten zu erkennen. Die EMEA sah hier jedoch keinen kausalen Zusammenhang, da hier zahlreiche Kritikpunkte vorlagen. Es wurde kein Vergleich zu Frauen ohne Pille gezogen, die sexuell aktiv waren. Zudem wurden Depressions-prädiktive Faktoren nicht berücksichtigt. Erwähnenswert ist auch, dass Patientinnen mit Pille häufig mehr Arztbesuche zeigen und diesbezüglich intensiver befragt werden als Patientinnen, die keine Pille nehmen. Zudem liegt offensichtlich auch ein kausaler Zusammenhang bei einer Enttäuschung eines Partnerverlustes im jungen Alter zwischen 15-19 Jahre vor, der auch eine Depressionsneigung mit Suizidgedanken mit sich bringt.

Hormonersatz-Therapie (HRT: Hormone Replacement Therapy)

Eine HRT soll dann gegeben werden, wenn Beschwerden hinsichtlich Wechseljahre (Hitzewallungen, Schlafstörungen, Depressionsneigungen etc.) bis zu 5 Jahre vorliegen. Das Risiko für ein Mamma-Karzinom oder ein Endometrium-Karzinom ist niedrig und verschwindet nach Absetzen der HRT. Pro Behandlungsmonat reicht eine 14-tätige Gabe von Progesteron aus. Die orale Progesteron-Einnahme ist um 15 % weniger effektiv als auch die vaginale. Progesteron-Cremes transdermal sollten nicht appliziert werden. Bei kontinuierlicher Anwendung von Progesteron steigt das Endometrium-Karzinom-Risiko mit einer Odds-Ratio von 2,6. Unter eine Hormonersatz-Therapie (Kombinations-Therapie mit Estradiol- und Progesteron-Anteil) sinken das Kolon-Karzinomrisiko und das Risiko für osteoporotische Frakturen. Hinsichtlich der KHK muss berücksichtigt werden, dass kardiovaskuläre Risiko-Faktoren vorher zu evaluieren sind. Eine reine Estradiol-Substitution senkt das KHK-Risiko, wohingegen eine Östrogen-Progesteron-Therapie sich neutral verhält. Die transdermale Applikation von Östradiol ist bevorzugen.

PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovar-Syndrom: PCOS)

Es existiert eine neue Leitlinie (2018) zum PCO-Syndrom. Hier zeigt sich eine Prävalenz von 8-13 % und ist auch in Deutschland unterdiagnostiziert. Herangezogen zur Diagnose werden die sogenannten Rotterdam-Kriterien, von dem 2 von 3 Kriterien nachzuweisen sind: Oligoamenorrhoe, Hyperandrogenämie bzw. klinische Zeichen des Hirsutismus, Nachweis von polyzystischen Ovarien (sonographisch). Eine entsprechende Diagnostik sollte 3 Monate nach Pause einer Pille erfolgen. Zudem sollte die Diagnostik erst nach mindestens 8 Jahren einer Menarche erfolgen. Sonographisch werden mindestens mehr als 20 Follikel-Zysten oder ein Ovar-Volumen von >10 ml gefordert. Bei allen Patientinnen sollte ein oraler Glukosetoleranz-Test durchgeführt werden. Hierbei zeigt sich in 75 % der schlanken Patientinnen und 95 % der adipösen Patientinnen eine Insulin-Resistenz. Therapeutische Optionen zeigen sich durch Metformin, die Pille, das Antiandrogen Cyproteronacetat sowie einen Aldosteron-Antagonisten und einen 5-Alpha-Reduktasehemmer. Neu aufgenommen in die Leitlinien ist jetzt eine Fertilisationsinduktion mit Letrozol, einen Aromatasehemmer, welcher im Vergleich zu Clomifen weniger Mehrlingsschwangerschaften induziert. Zudem zeigen sich unter Letrozol eine höhere Lebendgeburt-Rate und eine geringere Überstimulierbarkeit. Einzuschränken ist, dass Letrozol bislang in Deutschland nicht zugelassen ist.

Hypophyse

Beim Prolaktinom zeigt sich bereits drei Tage nach Dopamin-agonistischer Therapie ein deutlicher Prolaktinabfall. Eine größere Serie von Untersuchungen von Stills et al. JCEM 2019 zeigte das Trikuspidal-Regurgitationen häufig milde sind und eine geringere klinische Symptomatik nach 12-monatiger Therapie mit Cabergolin zeigen. Unter Dopamin-Agonisten ist die Spielsucht erhöht (Ioachimescu et al European Journal of Endocrinology 2019). Die Prävalenz von Folgeerkrankungen ist laut Dal et al JCEM 2018 bei Kolon-Karzinomen 2,6 %, Schilddrüsenkarzinomen 9,2 %, Mamma-Karzinomen 1,6 % und Magenkarzinomen 2,0 % eher tendenziell geringfügig erhöht. Die hohe Rate an Schilddrüsenkarzinomen zeigt sich eher durch die diagnostische Verfeinerung, wobei hier zu konstatieren ist, dass Schilddrüsenkarzinome hier häufig durch entsprechende Therapien die Lebenserwartung nicht reduziert. Zur Überprüfung einer Cortisol-Tagesrhythmik eignet sich das Speichelcortisol (Sanduk et al JCEM). Eine 40%-ige Normalisierung des Cortisols zeigt sich durch Pasireotid nach Lachroix et al Lancet Diabetes & Endocrinology 2018. Unter Pasireotid kann sich auch ein Nelson-Tumor entwickeln (Daniel et al Pituitary 2018). Es können auch Vorteste mit Pasireotid als Kurz-Injektion vor einer Depot-Pasireotidgabe genutzt werden, welche gut mit dem Therapieerfolg korrelieren. Bei aggressiven Tumoren der Hypophyse ist auf das Ki-67 zu achten. Unter Temozolomid zeigt sich bei 157 Patienten eine Ansprechrate von 37 % (Mc Cormick, European Journal of Endocrinology 2018). Funktionelle Tumore sprechen besser auf Temozolomid an. Glukocorticoide haben bei einer Hypophysitis eine gute Ansprechrate hinsichtlich Größe, Symptomatik und der Hormonfunktion (Chiliro et al JCEM 2018). Laut Fenske et al New England Journal of Medicine 2018 erbrachte ein Durstversuch im Vergleich zur Kochsalzbelastung bei 150 Patienten eine gute Differenzierung zwischen einer Polydypsie und eines Diabetes insipidus. Die Ansprechrate auf eine Dopamin-agonistische Therapie oder auch hinsichtlich medikamentöser Therapien hormonell aktiver Tumoren ist bei hypotensen besser als auch bei hyperintensen Tumoren, welches durch eine T2-Gewichtung in der MRT-Untersuchung nachgewiesen werden konnte (Dogensen, Pituitary 2018). Bei Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln, die von der EMEA jetzt verboten wurden, können Ablagerungen im Hirn nachgewiesen werden (Nachtigall et al Pituitary 2019). Kontrolluntersuchungen sollten nach einer Behandlung oder einer Hypophysenoperation nach 6 Monaten und anschließend einmal jährlich erfolgen.

Schilddrüse

Alle Schwangeren sollten 150 µg Jodid bereits vor Eintritt der Schwangerschaft als auch während der Schwangerschaft und der Stillzeit erhalten. Bei TPO-positiven Patienten ist Levothyroxin zu geben. Ab einem basalen TSH von >4 mU/l ist die Levothyroxin-Gabe sinnvoll (Nazapour et al JCEM 2018). Nach Health et al in British Medical Journal 2018 zeigt sich die Untersuchung an 4600 Kindern bis 15 Jahren hinsichtlich der kognitiven Funktionen, dass es keinen Unterschied hinsichtlich dessen zwischen einer latenten oder manifesten Hypo- oder Hyperthyreose der Mutter ausgemacht hat. Die Schilddrüsendysfunktion hatte somit keinen Einfluss auf die kognitiven Funktionen. Bei Erwachsenen ist bei einer subklinischen Hyperthyreose die Verminderung der Knochendichte im Bereich des Femurs, jedoch nicht im Bereich der Lendenwirbelsäule und das erhöhte Risiko für Vorhofflimmern und einer koronaren Herzerkrankung zu erwähnen. Bei einer subklinischen Hypothyreose ist nur die koronare Herzerkrankung als Risiko-Faktor erhöht, jedoch nicht der Knochenstoffwechsel bei nicht erhöhter Neigung zur Osteoporose. Nach Grossmann et al 2018 ist eine Levothyroxin-Gabe bei älteren Patienten >65 Jahre eher zurückhaltend zu sehen. Der EU-TIRADS-Score hat eine Sensitivität von 83%, wobei auch zu erwähnen ist, dass weiche Knoten häufig benigne sind und bei harten Knoten keine gute Differenzierung erfolgen kann.

Osteoporose

Hinsichtlich der Schwangerschaftsosteoporose ist zu konstatieren, dass diese häufig monogenetisch ist. Schwangerschaft stellt einen sog. Kalzium-Stress dar. Hier gibt es positive Daten, dass postpartum Teriparatid gegeben werden kann. Bzgl. der PBC (primäre biliäre Zirrhose) besteht ein 2-fach erhöhtes Frakturrisiko. Die Vertebral-Augmentation hat nach einer Arbeit von Ebelin et al. JBMR 2019 keine Evidenz. Ebenfalls ergibt sich keine Evidenz zur Senkung der Frakturrate hinsichtlich Vitamin D (Bolland et al. Lancet 2018).

Kalziumstoffwechsel

Der Kalzium-Sensing-Rezeptor der Nebenschilddrüsen ist auf Kalzium empfindlich. Bei einem primären Hyperparathyreoidismus ist der Kalziumspiegel erhöht und Parathormonspiegel häufig über 20 pg/ml. Bei der familiären hypercalzurischen Hypercalcämie ist Cinacalcet (Mimpara) eine adäquate Therapie. Beim primären Hyperparathyreoidismus können auch bis zu 1.000 Einheiten Vitamin D/Tag gegeben werden. Nach einer Studie von Autier et al. Lancet Diabetes and Endocrinology 2017, führt eine Vitamin D-Gabe durchaus zu einer Lebensverlängerung bei Reduktion der Karzinominzidenzen und einer reduzierte Infektionsneigung. In der Arbeit von Manson im New England Journal of Medicine 2019, 380: 33 war die Beobachtung über 6 Jahre bei 25.871 Patienten, die Einnahme von 2.000 Einheiten Vitamin D gegenüber Placebo nicht überlegen. Es ergab sich kein Unterschied zur Karzinom- oder KHK-Prävalenz.

Typ 1 Diabetes mellitus

Kontinuierliche Glukose-Monitoring-Systeme (CGM-Systems) wie das Eversense haben einen sehr kleinen 1,3 mm großen Sensor, der mit 180 Tagen Dauer 2x täglich kalibriert werden muss. Zu erwähnen ist, dass bei Eversense-Geräten weniger Pflasterallergien auftreten. Die HbA1c-Verbesserungen sind nach Studienlage bei kontinuierlichen Messsystemen nachgewiesen. Bei Typ 1 Diabetes mellitus gibt es einige Arbeiten zur zusätzlichen Einnahme von Empagliflozin. Das Keto-Acidose-Risiko ist hier gering (Rosenstock et al. Diabetes Care 2018). Unter Dapagliflozin war die Keto-Acidose-Neigung allerdings erhöht.

Typ 2 Diabetes mellitus

In der Direct-Study konnte durch eine avisierte Gewichtsreduktion von 15 kg ein HbA1c <6,5% bei 46% erreicht werden. Diese Responder hatten weniger Leberfett als auch weniger Pankreasfett und somit wieder höhere Insulinspiegel. Laboranalytisch ergibt sich jedoch kein Biomarker für Responder unter der Gewichtsreduktion. Normale Blutzuckerspiegel nach einer Gewichtsreduktion bei normalem HbA1c werden als Remission des Diabetes bezeichnet. Von einer Heilung des Diabetes spricht man von einer dauerhaften HbA1c-Erniedrigung <6,5% über mindestens 5 Jahre und einem Nüchternblutzuckerspiegel <100 mg/dl. Der Sauerstoffbedarf der Nieren sinkt durch die SGLT-2-Hemmer-Einnahme. Hierunter steigt auch der Hb als auch der Hämatokrit-Wert (Inzucchi Diabetes Care 2018 und Zelniker Lancet 2018). Eine weitere Hypothese zur Progression von Nierenerkrankungen zeigt sich durch Thomas und Chirney in Diabetology 2018 durch die Natriurese in den Tubuli unter SGLT-2-Hemmer mit Aktivierung der Macula Densae und Konstriktion des Vas afferenz. Somit sinkt der glomeruläre Druck. Neue experimentelle Arbeiten gibt es zu einem dualen Agonisten (GIP und GLP-1) in der Arbeit von Frias, Lancet 2018 durch eine Reduktion des HbA1c von 8,1% mit einer Reduktion um 2,4% nach 46 Wochen und einer Gewichtsreduktion um ca. 10%. In einer Harmony-Study zeigte Albigliflozin eine Senkung der MACE.

Gestationsdiabetes

Von den 700.000 Schwangeren in Deutschland zeigen sich derzeit 45.000 Patientinnen mit Gestationsdiabetes. Die Glukose wird besser im Natrium-Citrat-Röhrchen als im Natrium-Fluorid-Röhrchen gemessen. Der 50g-OGTT zeigt nur eine Sensitivität von ca. 60 %. Der Normwert der Plasma-Glukose sollte postprandial nach einer Stunde <130 mg/dl liegen. Bei Gabe von Metformin während der Schwangerschaft konnte in der Studie von Lovan im British Medical Journal 2018 eine signifikante Gewichtszunahme der Kinder auch nach 8 Jahren festgestellt werden. Metformin ist plazentagängig. Metformin bleibt somit auch während der Schwangerschaft ein experimenteller Ansatz und ist derzeit auch hierfür nicht zugelassen. Beim Gestationsdiabetes entwickeln 50% der Schwangeren nach 10 Jahren einen Typ-2 Diabetes mellitus. Makrovaskuläre Erkrankungen sind auch ohne die Entwicklung eines Typ-2 Diabetes mellitus festzustellen. Mikrovaskuläre Erkrankungen sind nur bei Diagnose eines Typ-2 Diabetes mellitus nachzuweisen.

Stoffwechsel/Lipide

Orlistat, Liraglutide und Naltrexone zeigen eine Gewichtsreduktion von -3 bis -6 %. Die Applikation von Semaglutide führt nach 52 Wochen mit einer Dosis von 0,4 mg/Tag zu einer Gewichtreduktion von -17 bis -18 %. Semaglutide mit 2,4 mg einmal pro Woche Versus Placebo führt in der Select-Studie bei 17.000 Patienten auch zu einer HbA1 c-Reduktion. Das intermittierende Fasten zeigt sich im Vergleich zu anderen Diäten einen deutlichen Vorteil. Das 15-stündige Fasten ist zudem dem 12-stündigen Fasten deutlich überlegen. Auch in der Primär-Prävention zeigt sich, dass je niedriger der LDL-Spiegel, desto geringer die Komplikation und die Lebenserwartung (Abdulla, Circulation 2018). Der Zielbereich des LDL-Spiegels bei Diabetikern liegt bei <100 mg/dl (Diabetiker ohne Endorganschäden). Atorvastatin plus Ezetimib erreicht eine LDL-Reduktion von 50 %, wohingegen Rosovastatin plus Ezetimib 60 % erreichen. Omega-3 Fettsäuren mit 2×2 g zeigen zusätzlich zu den Statinen eine 25%-ige LDL-Reduktion (New England Journal of Medicine 2018). Die in dieser Studie verwendeten Omega-3 Fettsäuren sind jedoch von denen in Deutschland vorhandenen Präparaten different. Mit Omacor müssten hier 8 Kapseln pro Tag gegeben werden.

Hypertonie

Von den 55-64 Jahre alten Menschen haben 50-62 % eine arterielle Hypertonie. Die Guidelines von ESC und ESH zeigen, dass der Zielblutdruck <140/<90 mmHg liegen sollte. Bei Resistenzen gegenüber üblichen Antihypertensiva wie Calciumantagonisten, Diuretika, ACE-Hemmer oder AT-1-Blocker sind Spironolacton, Eplerenon oder Amilorid zu geben. Die Harnsäure stellt nach Wang (PLOS ONE 2014) ein erhöhtes Risiko bei Hypertonie-Patienten dar und sollte ebenfalls behandelt werden. Die initiale Therapie der Hypertonie sollten durch ACE-Hemmer oder AT-1-Blocker (wirkungsgleich) mit ggfs. Calciumantagonisten und/oder HCT gegeben werden. Bei resistenter Hypertonie kann bei hohen Renin-Spiegeln Beta-Blocker und bei normalen Renin-Spiegel Alpha-Blocker gegeben werden. Die Ansprechrate von Interventionen durch die Denervierung ist sehr unterschiedlich.