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Hypophysenvorderlappeninsuffizienz

Hypophysenvorder-
lappeninsuffizienz

Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, Hypopituitarismus,
Hyphysenvorderlappen-Hormon

Als Hypopyhsenvorderlappeninsuffizienz bezeichnet man einen Ausfall von einzelnen oder mehreren Hormonen der Hirnhangsdrüse (Hypophyse). Die Hirnhangsdrüse nimmt durch den Hypophysenvorderlappen Funktionen der Schilddrüsenfunktion durch das Hormon TSH, der Stressfunktion über die Nebennierenrinde (ACTH), des Zyklus bei der Frau und die Testosteron-Produktion beim Mann (FSH und LH), des Längenwachstums (Wachstumshormon GH: Growth hormone) und die Milchproduktion der stillenden Mutter (Prolaktin) wahr. Der Hypophysenhinterlappen (Neuro-Hypophyse) ist insbesondere für den Wasserhaushalt durch die Ausschüttung von ADH (Anti-diuretisches Hormon) als auch für die Kontraktion der Brust beim Stillen durch das Oxytocin verantwortlich. Die meisten Ausfälle, die einzeln als auch mehrfach auftreten können, betreffen häufig den Hypophysenvorderlappen.

Ein Ausfall dieser Hormone kann durch einen Tumor der Hirnanhangsdrüse (Hypophysenadenom), als auch als Folge der Entfernung dieses Adenoms sowie durch Bestrahlung, schweren Verletzungen  Schädel-Hirn-Traumata oder Infektionen sowie systemische Erkrankungen (z. B. Sarkoidose) entstehen. Auch gibt es isolierte bislang nicht geklärte (sogenannte idiopathische) Hypophysenausfälle. In der Kindheit kann es zu Fehlanlagen verschiedener hormonproduzierender Zellen der Hirnanhangsdrüse kommen. In seltenen Fällen kann auch eine Entzündung der Hirnanhangsdrüse, sogenannte Hypophysitis, entstehen.

Der Ausfall der verschiedenen Hypophysenfunktionen lässt sich durch die klinische Symptomatik (Müdigkeit, Abgeschlagenheit, nachlassende bzw. sistierende Regel, Testosteron-Mangel-Symptomatik  mit Libido-Verlust etc.) und durch die differenzierte Hormonanalytik im Blut diagnostizieren. Die oben genannten Hypophysenhormone (TSH, ACTH, GH, LH, FSH, Prolaktin als auch ADH und Oxytocin) können im Blut bestimmt werden.

Die Hormone des Hypophysenhinterlappens (ADH und Oxytocin) unterliegen einer speziellen Probenaufbereitung vor entsprechender Messung, die weitaus komplexer ist als die der Hypophysenvorderlappenhormone.

Ein Ausfall bzw. Erniedrigung des TSH-Wertes zeigt sich bei der Hypophysenvorderlappeninsuffizienz durch eine verminderte Stimulation der Schilddrüse und somit eine verminderte Produktion der Schilddrüsenhormone T4 und T3.

Eine verminderte Produktion des Stresshormons ACTH (Adreno-corticotropes-Hormon) führt zu einer verminderten Stimulation der Nebennierenrinde und damit in erster Linie zu einer verminderten Produktion von Cortisol. Dies führt zu einer Müdigkeit und Abgeschlagenheit, einem erniedrigten Blutdruck sowie Zuckerstoffwechselveränderungen.

Ein Ausfall der Produktion von LH und FSH führt bei der Frau zu einem Ausbleiben der Regel (sekundäre Amenorrhoe) und bei einem Mann zu Absinken des Testosteron-Mangels (Testosteron-Defizit-Syndrom) mit verminderter Libido, reduzierter Erektion als auch verminderte Spermien-Produktion.

Ein Ausfall des Wachstumshormons (GH: Growth hormone) führt insbesondere in der Periode der Wachstumsphase der Pubertät zu einem Minderwuchs. Der Ausfall der Hypophysenhinterlappenhormone führt im Beispiel von ADH (Anti-diretisches Hormon) zu einem vermehrten Wasserlassen (Polyurie). Hierdurch kommt es auch zu Salzverschiebungen im Körper.

Unterzuckertest

Im Blut können die Hypophysenvorderlappenhormone durch eine Blutanalyse valide bestimmt werden. Stimulationsteste zeigen die Reserve und das Ausmaß der Hypophysenvorderlappeninsuffizienz an. Gold-Standard der Stimulationsteste ist der sogenannter Unterzuckerungstest (Insulin-Hypoglykämie-Test), die insbesondere die Stressfunktionen (ACTH und Cortisol) als auch die Wachstumshormonausschüttung (GH) anzeigt. Weitere spezifische Tests bei Wachstumshormonmangel wie zum Beispiel den GHRH + Arginin-Test sowie den einzelnen Arginin oder GHRH-Test können ebenso wie der Clonidin-Test durchgeführt werden. Diese Tests werden überwiegend und nahezu ausschließlich von Endokrinlogen als auch pädiatrischen Endokrinlogen durchgeführt. Die Diagnostik einer sekundären Schilddrüsenunterfunktion (sekundären Hypothyreose) kann heute überwiegend durch die basale Bestimmung von TSH, T4, T3 bzw. fT4 und fT3 erfolgen. Nur selten muss ein TRH-Test zur Anwendung kommen. Ähnliches gilt für die Überprüfung der Geschlechtsfunktionen. Auch hier muss nur selten der sogenannte Stimulationstest LHRH-Test durchgeführt werden.

Behandlung der Hypophysenvorderlappeninsuffizienz

Bei Nachweis der Hypophysenvorderlappeninsuffizienz können die Hormone durch Tabletten, Sprays, Gele als auch durch Injektionen ersetzt (substituiert) werden. Bei Vorliegen einer Störung der Stressfunktion (ACTH und Cortisol) wird hier das Hormon Hydrocortison oder Prednisolon (insbesondere in Nordamerika) gegeben. Im Falle einer stärkeren Stressbelastung durch psychische, körperliche Aktivität oder im Falle von Operationen muss die Hydrocortison-Dosis verdoppelt oder auch in schweren Krankheitssituationen mit unzureichender oraler Zufuhr durch eine Infusion substitutiert werden. Im Falle einer Schilddrüsenunterfunktion wird hier das Schilddrüsenhormon jeden Morgen eingenommen (Levothyroxin). Ein Testosteron-Mangel durch ein Defizit der LH und FSH-Ausschüttung kann hier durch ein Testosteron-Gel oder durch eine Injektion alle 4 Wochen als auch alle 12 Wochen substituiert werden. Bei Frauen wird die LH/FSH-Defizienz durch eine Hormonersatztherapie als auch durch die sonst üblichen Applikations-Formen wie Gele oder Monatsinjektionen ersetzt bzw. zugeführt. Das Wachstumshormon muss durch eine Injektion vor dem Schlafengehen substituiert werden. Kinder brauchen hierfür deutlich höhere Dosen als Erwachsene. Der Mangel an ADH mit dem klinischen Bild des Diabetes insipidus wird durch die Therapie mit DDAVP wie zum Beispiel Minirin in Tablettenform oder als Spray gegeben.

Die Überprüfung der korrekten Einstellung erfolgt durch die Blutbestimmung und Messen der sogenannten peripheren Hormone wie der Schilddrüsenhormone oder des Testosterons. Die Hydrocortison-Einnahme ist sehr individuell und passt sich an den Bedürfnissen der jeweiligen Patienten an.

Alle Patienten mit einer Hypophyseninsuffizienz müssen stets einen Notfallausweis bei sich tragen, um in Gefahrensituationen die entsprechenden Hormone rasch zu erhalten. Notfall-Sets im Falle von Hydrocortison stehen hier zur Verfügung und sollten insbesondere bei Urlaubsreisen oder bei längeren Autofahrten nie vergessen werden.