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Aktuelles von der Nationalen Schilddrüsenkonferenz Oktober 2017 in Heidelberg

23. Konferenz über die menschliche Schilddrüse 2017

Highlights des nationalen Schilddrüsensymposiums 10/2017 in Heidelberg

Die Cora-Studie als auch die SHIP-Studie zeigte, dass die Prävalenz des papillaren Schilddrüsenkarzinoms zugenommen hat. Dies begründet sich sicherlich durch die häufiger gescreenten Schilddrüsenknoten als auch durch die häufigeren Punktionen und Schilddrüsenoperationen mit dem zytologischen bzw. histologischen Nachweis eines Karzinoms. In wie fern ein papillares Mikrokarzinom die Sterblichkeit (Letalität) erhöht, ist derzeit Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussionen. So konnte auch im European Journal of Endocrinology 2012 durch Meisinger nachgewiesen werden, dass die Mortalität bei papillaren Schilddrüsenkarzinomen nicht zugenommen hat.

Durch eine Operation der Schilddrüse wegen eines zytologischen Verdachtes kann es jedoch zu Komplikationen durch den Hypoparathyreoidismus (11 %) als auch zu einer Verletzung des Stimmnerves/Rekurrensparase (2%) kommen, welches in der Korea-Studie nachgewiesen worden ist. In der Zusammenfassung der Daten zeigte eine Arbeit von J. Feldkamp im Internisten 2015, dass ein Schilddrüsenscreening nicht generell zu empfehlen ist. Risikofaktoren für ein papillares Schilddrüsenkarzinom sind das männliche Geschlecht, das Alter 70 Jahren sowie ein sehr rasches Wachstum der Schilddrüse mit den spezifischen Sonomorphologien nach TIRADS >V. Ein diskretes Wachstum der Schilddrüse ist nach anderen Auswertungen grundsätzlich kein Indikator für eine Malignität.

Hinsichtlich der Malignomfrequenz herrscht derzeit ein wissenschaftlicher Dissens. Einige Arbeiten sprechen von 5-20 % von kühlen Knoten. In einer Versorgungserhebung durch M. Grußendorf zeigte sich anhand von 18 000 Strumen und 8000 Feinnadelpunktionen, dass in 9 % der Fälle zu wenig Material vorhanden war, 3 % follikuläre Neoplasien nachweisbar waren und 1 % papillare Schilddrüsenkarzinom. 3 % wurden als fraglich suspekt beschrieben. Von diesen 18 000 Patienten hatten 138 Patienten ein neues Schilddrüsenkarzinom (vorwiegend papillar), so dass sichhier eine Prävalenz von 1 % sich ergibt. Von diesen Karzinomen war 54 % papillar, 16 % papillare Mikrokarzinome, 14 % follikuläre und 11 % medulläre Schilddrüsenkarzinome. Bei der häufig diagnostizierten follikulären Neoplasie zeigten sich lediglich 13 % Malignome. Anhand der Daten des Robert Koch Institutes ist die Sterblichkeit bei Schilddrüsenkarzinomen mit 0,1 % beziffert und somit sehr niedrig. Auch diesbezüglich wird von einem generellen Screening auch Schilddrüsenknoten abgeraten. Dies ist auch von Haugen im Thyroid Okt. 2015 (14) so konstatiert worden. Hier wird nochmals darauf hingewiesen, dass ein stark vaskularisierter Knoten kein gutes Kriterium der Malignität ist (JAMA 2015, 313(9), 926-35). Ungefähr 40 % der Knoten, die eine Malignität in der Zytologie nachwiesen, sind auch zuvor gewachsen. Hinsichtlich der Elastographie wird von J. Bojunga nochmals darauf hingewiesen, dass der negative prädiktive Wert bei 97 % liegt. Eine Vaskularisation des Knotens ist auch hier kein gutes Kriterium.

Warme Knoten entarten so gut wie nie und haben häufig einen TSH Spiegel von > 0,3 mU/l häufig auch > 1 mU/l. Autonomien entgehen hier häufig der Diagnostik, wenn hier kein Schilddrüsenszintigramm erfolgt. Eine negative MIBI Szintigraphie schließt hier einen malignen Knoten in 97 % der Fälle aus. Eine PET Aussage ist wie eine MIBI Szintigraphie zu werten und hat einen ähnlich hohen negativen prädiktiven Wert, wenn es hier zu keiner Anreicherung kommt. Erfolgversprechend ist die sogenannte PSMA-Szintigraphie (Prostata spezifische Membran Antigen) welches auch auf Schilddrüsenknoten nachzuweisen ist. Dies kann leider therapeutisch nicht genutzt werden (European Journal of Nuclear Medicine 2015).

Erfreulicherweise hat die Jodversorgung in Deutschland weiterhin zugenommen. Einige Regionen sind jedoch in Deutschland unterversorgt (ca. 30 %). Die LISA-Studie von M. Grußendorf zeigte, dass eine Kombinationstherapie mit Jod und L-Thyroxin die Knotengröße in ca. 21 % reduzieren kann. Eine Monotherapie mit Levothyroxin wird hier eher nicht empfohlen. Es ist jedoch auch zu konstatieren, dass ca. 16 der Knoten unbeeinflusst von der Therapie blieben.

In Europa werden ca. 48 Schilddrüsenoperationen pro 100 000 Einwohner durchgeführt. Prinzipiell wird eine Hemithyreoidektomie, eine sogenannte Dunhill-Operation (einseitige Hemithyreoidektomie und subtotale Resektion der anderen Seite) neben einer totalen Thyreoidektomie empfohlen. Im amerikanischen Sprachraum wird häufig von einer totalen Thyreoidektomie gesprochen, welches im deutschen Sprachraum der Thyreoidektomie entspricht. Eine bilaterale subtotale Resektion wird eher nicht empfohlen. Bei der Zytologie als auch der Histologie hat die BRAF-V600E-Mutation einen hohen prädiktiven Wert für eine Malignität. Andere Genmutationen zeigen hier eher keine Assoziation.
Durch eine Radiojodtherapie kann in ca. 35-65 % einer Volumenreduktion der Struma erreicht werden. Durch eine vorherige rekombinante TSH-Gabe (rhTSH) kann dies noch verbessert werden (50 versus 65 %). 1-2 Prozent der Patienten entwickeln eine Autoimmunthyreoiditis nach einer Radiojodtherapie.

Eine alternative zur Chirurgie stellt eine sogenannte Mikrowellentherapie dar. Die Radiofrequenzablation (besser Bipolar), die Mikrowellentherapie, die Echotherapie (HIFU) und die Lasertherapie sind zu unterscheiden. Die Kosten für die Radiofrequenzablationen belaufen sich auf 500 – 1200 Euro, der Mikrowellentherapie 900-1500 Euro und der Echotherapie 300-500 Euro. Die ersten drei sind hier zu bevorzugen, wobei die Mikrowellentherapie deutliche Vorteile hat. Bei der Echotherapie muss der Patient häufig sehr stark fixiert werden. Bei der bipolaren Radiofrequenzanalyse zeigt sich eine Volumenreduktion des Knotens von 50-60 %. Die Komplikationen sind gering (1 % Hämatom, 1 % Heiserkeit, nur transient, 0,3 % eine Hautverbrennung und in 0,07 % ein Abszess). In einer Studie von Grünwald in Frankfurt konnte gezeigt werden, dass bei 75 Patienten eine Volumenreduktion zwischen 35 und 50 % erreicht werden konnte.

Die Nomenklatur der Schilddrüsenkarzinome hat sich kürzlich geändert, so kommt zudem der Zytologie/Histologie des follikulären Tumors mit unsicherem Malignitätspotential (FT-UMP) eine besondere Bedeutung zu. Dies betrifft auch die gut differenzierten Tumore mit unsicherem Malignitätspotenzial (WDT-UMP). Die Diagnostik der Schilddrüsenkarzinome betrifft hinsichtlich der papillaren und follikulären Karzinome die Szintigraphie mit Jod 131, welches den Natrium-Jodid-Symporter nutzt. Dies ist auch in sogenannter SPECT-CT-Untersuchung möglich. Bei den anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen, welche Jod-negativ sind, kann hier ein sogenanntes FDG-PET durchgeführt werden. Bei den medullären Schilddrüsenkarzinomen ist hier L-Dopa-PET durchzuführen. Zudem zeigen sich auch Hinweise, dass einige Karzinome Jod 124 speichern können.

Hinsichtlich der Operationen können Hemithyreoidektomie bei papillaren Schilddrüsenkarzinomen 4 cm ist auf jeden Fall die Thyreoidektomie durchzuführen. Eine bilaterale Lymphknotendissektion birgt das Risiko eines Hypoparathyreoidismus im Vergleich zur alleinigen Thyreoidektomie von 6 auf 16 %. Eine permanente Rekurrenzparese ist in 0,3 bis 1 % bei Lymphknotendissektionen zu erwarten. Bei follikulären Schilddrüsenkarzinomen muss nicht grundsätzlich eine Lymphknotendissektion erfolgen, diese jedoch bei follikulär-onkozytären Karzinomen. Die prinzipielle Lymphknotenchirurgie bei follikulären Karzinomen hat keinen Einfluss auf die Mortalität.

Bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen sind drei Gruppen einzuteilen: Niedriges Risiko (pT 1-2,N0,) mittleres Risiko (T3,N1,N0) sowie hohes Risiko (pT4N1). Bei niedrigem Risiko ist keine Radiojodtherapie durchzuführen. Bei Tumoren mit mittlerem Risiko kann eine Radiojodtherapie durchgeführt werden. Bei hohem Risiko ist auf jeden Fall eine Radiojodtherapie durchzuführen. Bei retrosternalen Strumen kann zudem Jod 123 als auch ein MRT zur Bildgebung durchgeführt werden.

Ein Calcitonin-Screening soll bei einer Struma nodosa grundsätzlich einmalig durchgeführt werden. Der Cutt-off liegt bei Frauen >30 pg/ml und bei Männern >60 pg/ml. Sowohl der Pentagastrintest als auch der Calciumstimulationstest haben nach Metaanalysen und Vergleichen keinen zusätzlichen Vorteil. Anhand der Arbeit von Machens und Dralle im European Journal of Endocrinology 2016 ist eine Heilung in 62 % nach Calcitoninscreening zu erwarten. Bei Calcitoninwerten > 100 pg/ml liegt in 98 % ein modulares Schilddrüsenkarzinom (MTC) vor. Stimuliert werden können Calcitoninspiegel durch Protonenpumpenhemmer, Alkohol und eine Niereninsuffizienz. Bei Calcitoninwerten bis 20 pg/ml kann abgewartet werden. Eine weitere Intervention ist hier nicht erforderlich. Es konnte (Milan aus dem JCEM 2014, 99:1656) gezeigt werden, dass ein Stimulationstest durch Kalzium keinen Vorteil hinsichtlich der basalen Calcitoninmessung erbringt. Ein Grenzbereich zeigt sich bei Frauen zwischen 20-30 und bei Männern zwischen 30-60 pg/ml. Der Referenzbereich lag bei Frauen zwischen 0,5 bis 6,5 und bei Männern zwischen 0,5 und 9,5 pg/ml. Einer Calcitoninverdopplungszeit hat eine wichtige Bedeutung. Das 5-Jahres-Überleben liegt bei 25 % und nach 10 Jahren bei 8 % im Falle einer Calcitonin-Verdopplung. Bei Calcitoninwerten 1000 pg/ml ist mit Fernmetastasen zu rechnen. Hier kommt der Therapie mit Kinaseinhibitoren eine Bedeutung zu. Zwischen 150-1000 pg/ml ist eine Lymphknotenresektion erforderlich. Das medulläre Schilddrüsenkarzinom ist selten und hat eine Inzidenz von 0,18-0,3 pro 100 000 Einwohner pro Jahr. Über 50 % zeigen bereits bei Diagnosestellung Fernmetastasen. Grundsätzlich ist eine Thyreoidektomie mit einer Lymphknotenresektion durchzuführen. Hier kann es bis zu 20 % zu einem Hypoparathyreoidismus kommen. Mikrokarzinome sind häufig auch multilokolär. Somit ist hier auch prinzipiell eine Thyreoidektomie und keine Hemithyreoidektomie durchzuführen. Bei den Lymphknotenregionen sind die zentralen von den lateralen und mediastinalen zu unterscheiden. Der Histologie des medullären Schilddrüsenkarzinoms bekommt bezüglich der Desmoplasie einer Bedeutung zu. Desmoplastische medulläre Schilddrüsenkarzinome sind als deutlich aggressiver anzusehen. So kann bei nicht-desmoplatischen medullären Schilddrüsenkarzinomen auch auf eine Lymphknotenresektion verzichtet werden (European Journal of Radiology 2011, WUA und Koperek, Histopathology 2008). Die Calcitoninmessung ist bei medullären Schilddrüsenkarzinomen der Feinnadelpunktion deutlich überlegen.

Hinsichtlich des TSH Spiegels und der damit verbundenen eventuellen metabolischen Risiken und Konsequenzen herrscht Uneinigkeit. Es ist jedoch durch die Arbeit von Asvold aus dem JAMA 2015 gezeigt worden, dass ein basaler TSH Spiegel zwischen 0,45 und 4,58 mU/l kein kardiovaskuläres Risiko mit sich bringt. So sollte auch bei erhöhten basalen TSH Spiegel nicht grundsätzlich eine Levothyroxindosis in Erwägung gezogen werden, sondern hier eine Kontrolle erfolgen. So konnte im Clinical Endocrinology 2016 durch Rosaria nachgewiesen werden, dass 23 % der TSH Werte sich normalisierten und dass bei TSH Spiegeln zwischen 4 und 10 mU/l sich 42 % der basalen TSH Spiegel sich normalisieren kann.

Zudem ist im Clinical Biochemistry 2015 nachgewiesen worden, dass ein basaler TSH Spiegel nach dem Essen vormittags sich bis zu 30 % absenken kann. Zudem konnte Selmer im JCEM 2015 nachweisen, dass eine subklinische Hypothyreose nicht mit kardiovaskulären Komplikationen wie MACE assoziiert ist. Zudem konnte in der kürzlichen Trust-Studie im New England Journal of Medicine 2017 nachgewiesen werden, dass eine Levothyroxinsubstitution bei basalen TSH Spiegeln bis 20 mU/l keinen Benefit erbracht hat.

Autoimmunthyreoiditiden können nach der Darstellung von J. Feldkamp in 2,3 % ein papillares Schilddrüsenkarzinom nachweisen. Das Lymphom-Risiko ist bei der Autoimmunthyreoiditis um das 8-9 fache erhöht. Es ist jedoch hier zu konstatieren, dass es sich hier häufig um papillare Mikrokarzinome in der Histologie gehandelt hat, deren Wertigkeit und hinsichtlich der Letalität sehr differenziert zu beurteilen ist.